Puerto Escondido - the Mexipipe

Überall Menschen, überall so viele Menschen. War gerade irgendein wichtiges Fußballspiel aus in der Nähe? So würde man sich diese Massen von Menschen zumindest in Deutschland halbwegs erklären können. Ich war aber nicht in ´Schlaaand, sondern stand in etwas, dass ich spontan die Donnerkuppel taufte. An eine solche erinnerte nämlich der Busbahnhof in Mexiko City, wo ich mich gerade befand. Die Tatsache, dass ich in der zweitgrößten Stadt der Welt nach Tokio rumgeisterte erklärte die Anzahl der Menschen also ganz gut.
Und es erklärte auch mein unbedingtes Bedürfnis schnellstmöglich einen Bus zu besteigen, der mich aus diesem Moloch herausbrachte. Ich war schließlich (noch) nicht hierhergekommen, um mich in diesem Monster von einer Stadt zu verlieren, sondern um die kraftvollen Südswells in und um Puerto Escondido zu surfen.

Wir waren eine Gruppe von 6 Leuten; von erfahrenen Surftravellern bis zum blutigen Anfänger war alles dabei. Wir waren Teil einer Impfstudie gegen Reisedurchfall und finanzierten uns auf diese Weise den Trip. Einzige Bedingung war, dass wir insgesamt dreimal in einer Klinik in Oaxaca (Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats in dem Puerto Escondido liegt) aufschlagen und da die Einträge in unsere Tagebücher (wir nannten sie „Shit diaries“) mit einem Arzt diskutierten. Laut google- maps waren es von Oaxaca nach Puerto Escondido lediglich 170 km Luftlinie. So weit so gut. Was wir nicht wussten war, dass diese Strecke durch ein Gebirge führte, dass unsere durchschnittliche Reisegeschwindigkeit auf ca. 30 km/h beschränkte. Auch war die Straße so kurvig, dass sie irgendwann auch den hartgesottensten Saumägen zusetzte.
Eine stabile Schlafposition zu finden war auch schwierig, so dass wir teilweise versuchten unsere Köpfe an die Kopflehnen zu binden, um wenigstens ein bißchen Stabilität zu haben. Und dann waren da die „Topas“, am besten übersetzt mit „speed bumps“, die unserem lieben Mietwagen immer wieder zusetzen sollten. Eigentlich sollten diese Topas ca. 30m vor ihnen gestrichelte Linien und ein Warnschild haben, damit sich der vorsichtige Autofahrer ein wenig mental darauf vorbereiten konnte.
Nur übernehmen in Mexiko anscheinend die Bürger selbst schon mal Arbeiten an der Infrastruktur und deshalb gab es den einen oder anderen Topa, dessen einzige Aufgabe darin bestand die vorbeifahrenden Autos auf diverse Taco-Stände aufmerksam zu machen. Bei uns hat es bisweilen sogar geklappt: lieber ein Taco als ein Achsenbruch.

Nach 20 Stunden Flug, 10 Stunden Busfahrt und 6,5 Stunden mit dem Mietauto durch das mexikanische Kurvenwunderland kamen wir schließlich nach Puerto Escondido. Es war Nachmittag, die Wellen verblasen und wir geil auf Wellen wie mexikanische Bullen auf Rodeocowboyärsche. Auch wenn die Wellen für Zicatela- (so heißt der Strand in Puerto) verhältnisse klein waren, konnte man schon erahnen, was für eine Mordskraft hinter ihnen steckte. Auch der blutigste Anfänger von uns allen, Frank da Tank, schaffte es auf seinem Mini-Malibu raus. Und da trieb er dann; seine erste Surfsession überhaupt am härtesten Beachbreak der Welt: hochamüsant! Irgendwann kam ein Lifeguard auf seinem Jetski vorbei und machte ihm dann doch klar, dass er hier draußen nix verloren hatte. Schade!

In den nächsten Tagen wuchs der Swell an und die Mexpipe erwachte zum Leben. Und wie sie lebte. Top-to-bottom- Barrels in hüfttiefes Wasser. Strömungen, die einen Großteil der Surfer ohne Leash surfen ließ, da diese eher zur Behinderung wurde, als das sie dem Surfer half. Ich hatte davon schon oft in Surfmags gelesen und hab nie verstanden, wie eine Leash eine Behinderung darstellen konnte. Jetzt verstand ich es: du kommst einfach nicht vom Fleck- dein Brett lässt dich nicht. Gebrochene Bretter, Genicke und Egos waren an der Tagesordnung. Ich und mein Kumpel wagten uns an einem eher „kleinen“ Tag rein mit unseren süßen 6.3ern. Nach ein paar gestandenen Drops auf ein paar Insidewellen hatte ich genug Selbstvertrauen, oder nennen wir es lieber unermeßlicher Größenwahn, eine Setwelle anzupaddeln. Nun was soll ich sagen außer: „worst wipeout of me loif,mate!“. So stelle ich mir es vor mit 50 km/h hinter einem Boot hergezogen zu werden. Ich hatte fürs erste genug von der Zicatela und surfte lieber den linken Pointbreak in Puerto Escondido- die „punta“. Ich gebs zu: ich hatte Schiss. Dass das nicht ganz unberechtigt war zeigte ein Vorfall eine Woche später. In ähnlichen Bedingungen, wie in denen ich an die Grenzen meines Surfkönnens gestoßen war, verunglückte der kalifornische Surfer Noel Robinson, nachdem er vermutlich von seinem Brett bewußtlos geschlagen wurde bei einem Wipe-Out ( http://www.surfline.com/surf-news/rip-noel-robinson—underground-norcal-charger-filmer-drowns-at-puerto-escondido_43204/). Der Kerl surfte Mavericks, Waimea Bay und wie sie alle heißen, doch seinen Meister hat er in der Mexpipe gefunden- einer Welle die er eigentlich in- und auswendig kannte. Ich bin danach nur noch an ganz kleinen Tagen raus.
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